Wir werden uns jetzt mit dem 6. Lebensprinzip, dem Tierkreiszeichen Jungfrau... beziehungsweise dem Merkur, der Jungfrauqualität besitzt... beziehungsweise dem 6. Feld beschäftigen. Vorab folgendes: Die Jungfrau, die jetzt stellvertretend für die anderen Ebenen genannt werden soll, stellt meiner Auffassung nach, wahrscheinlich auch aus der Sicht der allermeisten Astrologen, eine Größe im Tierkreis dar, die häufig in ihrer Aufgabe unterschätzt wird, die sie für den Tierkreis, das heißt für alle anderen Tierkreisprinzipien innehat.
Um es etwas lockerer auszudrücken: die Jungfrau wird oftmals in schlechten astrologischen Büchern nur mit einem Putzlappen und einem Schrubber in der Hand dargestellt, die nichts weiter im
Sinn hat, als möglichst viel Schmutz auf Erden zu beseitigen. Vornehmlich in den eigenen vier Wänden. Die Jungfrau, das kann man beispielsweise auf Zuckerstückchen nachlesen, steht für Pedanterie
oder große Reinlichkeit und derartiges. Das ist alles im Prinzip nicht falsch, aber es ist beileibe nicht alles.
Das Problem, was in Bezug auf die Jungfrau astrologisch besteht, ist, dass die allermeisten, die sich mit Astrologie beschäftigen, die eigentliche Aufgabe, das heißt den Kern dessen was die
Jungfrau ausmacht, nicht verstanden haben. Das liegt in der Regel daran, dass sich ohnehin relativ wenig Menschen, die astrologisch arbeiten, darüber Gedanken machen, dass ein jeweiliges
Lebensprinzip immer auf der Grundlage eines vor ihm gewesenen entstehen kann. Das heißt auch hier müssen wir ganz klar sehen, dass die Jungfrau eine Antwort, eine Reaktion auf das Leben – und das
war ja Löwe und Sonne und 5. Feld – darstellt. Die Jungfrau ist eine Antwort auf das Leben.
Nun müsste man versuchen zu verstehen, wie denn beispielsweise eine gewisse, ich nenne es mal Sparsamkeit, eine Antwort auf das Leben sein kann. Wenn man beginnt, darüber nachzudenken, ist das gar nicht schwer, den Einstieg zu finden. Insofern wollen wir das jetzt an dieser Stelle tun. Und ich weise gleich darauf hin, dass es bei der Jungfrau viele gleichberechtigte Oberbegriffe geben wird. Generell ist es das Ziel dieser Oberbegriffe, dass wir vor allem jetzt am Anfang des Kurses versuchen, Begriffe zu finden, die dann mehr oder weniger ein ganzes astrologisches Leben lang erhalten bleiben.
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Zunächst folgendes: Beim Löwen können wir davon ausgehen, dass er im Sinne der Lebensverausgabung keine Kontrollmechanismen besitzt, dass das Leben selber keine Möglichkeiten hat, sich zu regulieren. Und zwar in dem, was es ausmacht. Nämlich des Verausgabens, des ungehinderten Ausströmens von Lebendigkeit. Das hat einerseits – dieser Vorgang, den die Sonne darstellt – den Vorteil, dass Leben immer wieder nachwächst.
Auf der anderen Seite hat das den Nachteil, dass dieses Nachwachsen, dieses immer wieder neue Gebären dazu führt, dass das Leben unüberschaubar wird. Und dann, wenn man es mal negativ oder
pathologisch ausdrückt, entstehen Wucherungen, Lebenswucherungen - körperlich, seelisch wie geistig - die dann für das Leben plötzlich selbst wieder problematisch werden können. Das heißt, das
Leben selber kann sich verschlingen.
Genau dieser Vorgang, dass das Leben sich selber wieder aus dem Leben herausbringt, also sich selber aufgrund der ungehemmten Nachflut von Leben wieder zerstört, das muss irgendwie im Tierkreis
aufgehalten werden. Dieser Fluss muss reguliert werden. Es muss ein gewisses Ordnungsprinzip eingreifen, damit das Leben selber in Bahnen läuft, damit das Leben selber Gestalt und Form annimmt.
Damit im Grunde genommen das Leben gefördert wird. Und genau das – genau das – ist die Aufgabe der Jungfrau.
Stellen Sie sich einen Garten vor, in den Sie ein paar Blümchen, ein paar Sträucher und ein paar Bäume pflanzen. Wenn das alles war und Sie sich nicht weiter darum kümmern, dann wird nach drei,
vier, fünf Jahren von dem, was Sie eigentlich wollten, im Sinne eines bestimmten Anblicks des Gartens, nichts mehr übrig sein. Es wird vieles von allen möglichen Unkräutern und Schädlingen, die
selbstverständlich alle eine Lebensberechtigung haben - das ist das Bild des Urwalds, Dschungels - mehr oder weniger zugewachsen sein.
Jetzt könnte man sagen, na ja, das macht doch nichts, ich lebe gerne im Urwald, ich lebe gerne im Dschungel. Das ist alles richtig. Nur führt das letzten Endes dazu, dass ein gewisser Überblick, der ja zunächst von dem Löwen, aus dem Löwen, aus dem Leben heraus selbst gar nicht anders gewollt war, dass dieser Überblick verloren geht. Das Leben selber entwickelt Komponenten, die ihm, dem Leben selbst, schädlich werden können. Und das hat das Leben in dem Moment, als es entstand und die Dinge erschaffen hat, nicht gewusst. Deshalb sagte der liebe Gott - weil er derjenige gewesen ist, der den Tierkreis entwickelt hat: nun, da müssen wir also eingreifen. Wir müssen ein Regulativ entstehen lassen.
Die Jungfrau stellt dieses Regulativ jetzt dar und sie wird darauf achten – und das ist ein ganz wichtiger Leitsatz – dass das Leben keinen Schaden nimmt. Die Jungfrau ist die Hüterin des Lebens.
Sie achtet darauf, dass das Leben keinen Schaden nimmt. Und da wir uns mit dem Zeichen Jungfrau immer noch im zweiten Quadranten des Tierkreises befinden und der zweite Quadrant das Seelische
darstellt - gegenüber dem Körperlichen des ersten Quadranten - können wir das abwandeln und sagen: Die Jungfrau achtet auf die Unbeschadetheit der Seele. Psychologisch ausgedrückt nennt man so
etwas „Psychohygiene“. Da hat man auch ein bisschen die Sauberkeit drin. Die Seele wird immer schön gewaschen und eingerieben und gesalbt – und gepflegt. Das ist die Aufgabe der Jungfrau.
Auf der anderen Seite ist es jetzt wichtig zu verstehen, wie die Jungfrau diese Aufgabe schaffen kann. Diese Aufgabe ist – und wenn Sie sich vorstellen, dass das Leben sozusagen gebändigt werden
soll – das ist Sisyphus-Arbeit. Es ist eine schwere Arbeit, die wahrscheinlich nicht besonders honoriert wird. Vor allen Dingen auch vom Leben selber nicht. Denn wie soll man sich das vorstellen,
wenn das Leben selber anfängt zu wachsen und versucht sich zu gestalten... und ständig jemand eingreift, der sagt: nein, so geht das nicht... oder da müssen wir ein bisschen mehr aufpassen...
oder hier an der Stelle haben wir nicht so viel Geld zum Ausgeben, wie du gerne möchtest... oder hier sollten wir vielleicht ein bisschen weniger essen, weil sonst einem schlecht wird.
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Wie auch immer – es gibt ständig irgendwelche Eingriffe ins Leben, in das, was man so gerne möchte. Das wird dem Leben selber - weil es noch nicht die Erfahrung der Jungfrau hat, d.h. noch nicht
weiß, was die Regulierung, die immer mit einer gewissen Beschränkung oder Einschränkung einhergeht, was die wert ist - das muss aus der Sicht des Lebens etwas Unangenehmes sein. Das heißt die
Aufgabe der Jungfrau ist undankbar.
Wie bewältigt die Jungfrau diese undankbare Aufgabe? Das erste, was sie tut, ist das Leben zu beobachten. Anders ausgedrückt, es geht hier um das Prinzip der Wahrnehmung. Man muss erst mal das,
was man regulieren soll, eine Weile betrachten, beobachten, also wahrnehmen, um zu wissen, worum es überhaupt geht. Man muss betrachten - und das möglichst aufmerksam, damit einem nichts entgeht.
Das Wort „aufmerksam“ ist ein ganz wichtiges Wort - zum Beispiel auch innerhalb der fernöstlichen Philosophie. Für die ist Aufmerksamkeit eine ganz zentrale Fähigkeit des Menschen. Weil der
Mensch aufmerksam sein müsse, um Fehlentwicklungen, die auch in ihm, in seiner Seele, in seinem Geist entstehen, so schnell wie möglich entgegenwirken zu können. Wenn man nicht aufmerksam ist,
übersieht man vieles. Man sagt auch, dass man Schaden am besten dadurch vermeidet, wenn man ihn von Anfang an begrenzt. Wäret den Anfängen, wie man so sagt. Das sind alles Sprüche, die sich
sicherlich die Jungfrau ausgedacht hat.
Aufmerksamkeit ist eine Bedingung - und die entsteht im Tierkreis im Sinne der Jungfrau - um das Leben in alldem, was es hervorbringt, wahrzunehmen und zu erkennen, wo sich Fehlentwicklungen
ergeben können, die dem Leben auf lange Dauer gesehen schaden. Denn
darum geht es der Jungfrau. Es geht nicht darum, kurzzeitig irgendetwas zu erkennen, was fehlerhaft ist, sondern die Jungfrau muss auch die Fähigkeit haben, abzuschätzen, ob Entwicklungen
langfristig oder eben nur kurzfristig Schaden beitragen können. Insofern wird die Jungfrau im Sinne der Aufmerksamkeit vor allen Dingen auch darauf achten, dass die langfristigen Aussichten
möglichst günstig sind. Wir merken uns: Wahrnehmung – der erste Oberbegriff für die Jungfrau.
Nun haben wir uns vorzustellen, dass in der Wahrnehmung der Jungfrau, die ja aufs Leben blickt, nun irgendetwas auftaucht. Die Jungfrau nimmt jetzt etwas wahr, während sie aufs Leben
blickt. Der zweite Punkt, der zweite Oberbegriff, der jetzt zu merken ist und der als Folge für die Wahrnehmung zu bezeichnen wäre, ist der Begriff der Analyse. Einfach ausgedrückt: Wenn ich
etwas sehe, muss ich, wenn ich es nicht kenne, herausfinden, was es ist. Ich muss es analysieren. Das heißt es nützt nichts, wenn die Jungfrau einfach nur Dinge wahrnimmt und dann sagt: aha, da
hab ich was gesehen, aber dann nicht sagen kann, was es war.
Denn wenn man nicht weiß, was es ist - das heißt wenn man die Analysefähigkeit nicht besitzt - kann man später in irgendeiner Form, und das ist zu erwarten bei der Jungfrau, nicht adäquat
reagieren. Die Jungfrau analysiert als zweiten Schritt das, was wahrgenommen ist. Und immer dann, wenn das Analyseergebnis heißt „Vorsicht, da ist etwas Lebendiges aufgetaucht, was dem Leben
selber Schaden zufügen könnte“, dann wird eine entsprechende Warnung ausgegeben.
Im Tierreich sind Tiere, die jungfräulichen Charakter haben, immer die sogenannten Warner. Z.B. ein Affe, der irgendwo auf einem Baum sitzt, während die Affenherde unten im Dschungel, auf einer
Lichtung vielleicht gerade genüsslich frühstückt. Dieser Affe hat die Aufgabe zu gucken, ob irgendwo vielleicht ein Tiger im Gebüsch herum streunt. Sollte das der Fall sein, würde sich die
Wahrnehmung des Affen sofort auf den Tiger richten und einen Warnschrei auslösen.
Das würde dann dazu führen, dass das Leben - jetzt bezogen auf die Affenherde - vor dem anderen Leben (das des Tigers) geschützt wird. Aus der Sicht der Affenherde ist die Jungfrau - d.h. dieser
Affe auf dem Baum, der leider nicht mit frühstücken kann - durchaus sehr wichtig. Wahrscheinlich kriegt dieser Affe danach auch eine doppelte Portion, wenn er seinen Job gut gemacht
hat.
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Es geht also darum, wahrzunehmen und dann zu analysieren, was in der Wahrnehmung aufgetaucht ist. Sowie etwas analysiert wird, was dem Leben schädlich werden könnte, sprich Tiger in Bezug auf Affenherde, dann wird entsprechend Warnung gegeben. Und dieses Warnung geben steht stellvertretend für den dritten Oberbegriff für die Jungfrau: „Anpassung“. Etwas weiter ausgedrückt: Anpassung an die wahrgenommenen und analysierten Umstände.
Die Jungfrau ist im dritten Schritt die Anpassung an die Lebensumstände, die im Sinne der Wahrnehmung und der folgenden Analyse aufgetaucht sind. Es gibt immer Lebensbedingungen, in denen man
sich befindet. Die müssen wahrgenommen, analysiert werden, und dann passt man sich in einer, wenn man so will, seelischen Reaktion auf das Analysierte und vorher Wahrgenommene an. Es kommt zum
Anpassungsvorgang.
Dieser Anpassungsvorgang - im Bild der Affen wäre das der Warnschrei, den er ausstößt - dieser Warnschrei ist eine seelische Reaktion auf das, was wahrgenommen wurde und in der Analyse
herausgekommen ist. Diese Reaktion - wenn wir uns jetzt mal so einen Affen vorstellen - könnte durchaus sein, dass der plötzlich, wo er den Tiger im Gebüsch sieht, vor Schreck aufschreit und gar
nicht bewusst sagt: oh, ein Tiger, jetzt sollte ich mal schreien. Sondern der Affe wird vor Schreck aufschreien und damit auch entsprechend das Signal an die Herde geben, da ist jetzt Gefahr im
Verzug.
Da wir uns im zweiten Quadranten und immer noch im seelischen Bereich und damit im Unbewussten befinden, können wir davon ausgehen, dass der Anpassungsmechanismus an das Wahrgenommene und in der
Folge Analysierte ein unbewusst ablaufender Vorgang ist. Also eine unbewusst ablaufende Reaktion. So wie sich der Affe auf dem Baum nicht sagt, oh, ein Tiger, und jetzt muss ich schreien. Sondern
der schreit vor Schreck. Und so etwas nennt man einen Reflex.
Jungfrau ist Reflex. Reflexe sind unbewusst ablaufende Reaktionen auf etwas, was man wahrgenommen hat und in der Folge - in der Regel unbewusst - analysiert. Beispiel: Halten Sie die Hand auf eine heiße Herdplatte, dann werden Sie reflexartig die Hand zurückziehen. Das tun Sie aber auch nur deshalb, weil bestimmte Stellen im Gehirn - aber nicht Sie bewusst, sondern in dem Sinne unbewusst – wahrnehmen: hey, da ist ja was heiß. Und „heiß“ bedeutet – und das ist jetzt die Analyse des Wahrgenommenen – Gefahr. Jedenfalls in der Form von Hitze bedeutet das Gefahr. Also entsteht eine gewisse Anpassung an die vorgefundenen Bedingungen der heißen Herdplatte.
Die Anpassung lautet nichts weiter als: Hand weg. Das tut man aber nicht mit Absicht, weil, wenn man das versuchen würde, dann würde der Reaktionsweg viel länger dauern. So dauert er aber als
Reflex nur Bruchteile von Sekunden. Und genau das ist Jungfrau. Und dazu – also Hand von heißer Herdplatte wegziehen oder „Hilfe, ein Tiger“ – würden wir sagen, das ist vernünftig. Das heißt die
Jungfrau ist Vernunft.
Die Jungfrau stellt das Prinzip der Vernunft dar. Das muss kurz erläutert werden. Denn unter Vernunft verstehen wir – ich müsste aber besser sagen, verstehen wir bisher – einen in der Regel
denkerischen oder geistigen Vorgang, der mit einer gewissen Denkleistung einhergeht. Der führt dazu, dass man eine bestimmte Handlungsweise an den Tag legt, die dann als vernünftig, weil
absichtlich herbeigeführt, betrachtet wird. Das ist aber zumindest astrologisch gesehen, wenn man auf den Begriff Vernunft geht, eindeutig falsch. Nebenbei – die Herkunft des Wortes Vernunft
deutet auch nicht darauf hin, dass es sich hier um einen bewussten Vorgang handelt; aber dazu gleich mehr.
Vernunft ist unbewusst, d.h. eine unbewusst ablaufende Reaktion. Vernunft hat nur den einen Zweck – und jetzt kommt wieder Originalton Jungfrau vom Anfang – Schaden abzuwenden. Vernunft oder
vernünftig sein bedeutet sprachlich, dass man etwas getan hat, was dazu führt, dass man keinen größeren oder vielleicht sogar im besten Falle keinen Schaden nimmt. So etwas ist vernünftig. Wir
müssen jetzt astrologisch lernen und begreifen, dass Vernunft kein denkerischer Akt ist, sondern eine seelische Ausgleichsfunktion. Ein seelischer Anpassungsmechanismus, der unbewusst und damit
als Reaktion unbewusst im Sinne eines Reflexes abläuft.
Das Wort „Vernunft“ kommt aus dem Althochdeutschen, und wenn man es von dort direkt in unser neues Deutsch übersetzen würde, dann würde Vernunft „Vernehmen“ bedeuten. Vernunft kommt von Vernehmen. Und Vernehmen ist die althochdeutsche Form von Wahrnehmen. Und da sind wir am Beginn des Jungfrau-Prinzips.
Wahrnehmung an sich, als ersten Akt der Jungfrau, also der aufmerksamen Betrachtung dem Leben gegenüber, schon das allein ist vernünftig. Es wäre nicht schlecht, sich das Leben anzuschauen und auf all das zu achten, was dem Leben Schaden zufügen könnte, während es wächst. Insofern achtet jede Mutter, achtet jeder Vater – so wollen wir es jedenfalls hoffen – auf das Kind, was heranwächst.
Das ist im Menschen einprogrammiert, im Sinne des Jungfrau-Prinzips. In alten astrologischen Büchern - die zumindest was die Begriffe angeht, teilweise viel klarer als die heutigen, sehr
psychologisierten Schriften waren - stand zum Beispiel bei der Jungfrau: Die Jungfrau ist Hege und Pflege. Ja, das ist schön. Das stimmt. Sie hegt und pflegt das Leben.
Dumm ist nur, dass das Leben ihr diese Arbeit, die existenziell wichtig ist, nicht lohnt. Denn welches Kind lässt sich schon gerne reinreden, beziehungsweise von welchem Kind kann man erwarten,
dass es die Vernunft derjenigen hat, die weiterblicken können als es selber. Das geht natürlich nicht. Dennoch muss man sehen, wenn man jetzt mal nicht von dem Verhältnis von Kindern zu Eltern
redet, sondern von Erwachsenen zu Erwachsenen, dass also ein sehr Jungfrau-betonter Mensch anderen - salopp gesagt – ziemlich auf den Wecker gehen kann. Dadurch das er sie ständig darauf
hinweist, was alles schiefgehen könnte. Und wo man denn – Lieblingswort der Jungfrau – vorsichtig sein muss, das kann einem also ganz schön auf die Nerven gehen.
Vor allen Dingen, wenn der andere ein Löwe ist. Dann sagt der: Hör mal, ich möchte aber gerne ins Kino gehen, und ob ich gerade wenig Geld in der Tasche habe oder nicht, ist mir egal – ich will
aber! Und die Jungfrau sagt: Nein, es wäre aber vernünftig, wenn du dieses Geld sparst, denn morgen musst du noch ein paar Brötchen und ein bisschen Butter kaufen. Wenn du heute ins Kino gehst,
kannst du morgen nichts mehr essen.
Aus der Sicht des Löwen wird dieses Argument sicher nicht ziehen. Das heißt er wird wohl alleine ins Kino gehen müssen, denn die Jungfrau bleibt ganz brav und artig zuhause und zählt die letzten Groschen, die noch übriggeblieben sind, nachdem sich der Löwe das Geld fürs Kino geschnappt hat. Und sie überlegt – kleinkariert, wie sie ist, daher passt zu ihr das Pepita-Muster - wie sie mit den letzten paar Groschen morgen für den Löwen ein entsprechendes Frühstück zusammenstellen kann. Alleine macht der das eh nicht, der ist es ja gewohnt, bedient zu werden.
Ich fasse an der Stelle noch einmal zusammen, was zur Jungfrau astrologisch im Kern zu wissen ist. Die Wahrnehmung ist der erste Schritt, und zwar im Sinne einer aufmerksamen Betrachtung des Lebens. Als zweites folgt die Analyse des Wahrgenommenen. Man muss wissen, worum es geht – wichtig für die Jungfrau. Als dritter Schritt geschieht die reflexartige Anpassung an das, was in der Analyse herausgekommen ist, beziehungsweise was als Neues erkannt worden ist. Diese reflexartige, unbewusste Reaktion, ist nichts anderes als pure Vernunft. Wenn die Jungfrau das Leben aufmerksam betrachten soll, dann bedeutet das aber auch, dass sie den Umständen, die im Leben auftauchen, ausgeliefert ist.
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Sie muss ständig an einen ganz bestimmten Punkt hingucken. Wenn sie glaubt, dass dort jetzt etwas geschehen wird, was dem Leben Schaden zufügen könnte. Das bedeutet aber auch, dass sie alle
anderen Bereiche, auf die sie nicht guckt, nicht betrachten kann. Das heißt die Jungfrau ist im Detail des Lebens gefangen. Sie hat auf keinen Fall Überblick, das geht nicht. Wenn sie irgendwo
mit ihren Augen – und die Jungfrau ist im medizinischen Sinne auch das Augenpaar, als die wichtigsten Wahrnehmungsorgane des Menschen – wenn Sie auf einen bestimmten Punkt mit Ihren Augen
hinschauen, zum Beispiel auf einen Krümel, der auf einem Tisch liegt, dann werden Sie sicherlich nicht in 90 Grad nach rechts oder links sehen.
Sie werden zum Beispiel nicht sehen, wie der Wellensittich gerade aus dem Käfig geflogen ist, weil Sie eben gerade nur diesen einen Krümel genau angucken. Den sehen Sie allerdings auch wirklich
ganz genau. Und über den Krümel auf dem Tisch könnten Sie auch alles Mögliche erzählen. Die Frage ist, ob das jemanden interessiert, während der Wellensittich gerade aus dem Käfig fliegt. Aber
immerhin – den Krümel, den kennen Sie genau. Und insofern ist die Jungfrau ins Detail verliebt, sie ist ein Detailfanatiker. Sie ist – und daher kommt auch ihr Ruf – pedantisch. Was sie nicht
kann, ist, den Überblick zu haben. Aber das muss sie auch nicht können.
Den Überblick in dem Sinne, wie er jetzt gemeint ist, der entsteht eigentlich erst viel, viel, viel später im Tierkreis, eigentlich erst im vierten Quadranten. Da haben wir noch einen relativ
weiten Weg vor uns, beziehungsweise unsere Jungfrau, die ihren Job ja ernst nimmt und auch sehr gut macht. Ab und zu sollte man ihr ein bisschen auf den Rücken hauen und sagen: Mensch, das hast
du gut gemacht. Denn da die Jungfrau den Löwen schon in sich trägt, weiß sie durchaus ein bisschen - aber da muss sie drauf hingewiesen werden - was Stolz bedeutet. Und ein bisschen
Stellen Sie sich mal vor, Sie müssen 24 Stunden lang mit einem Feldstecher auf der Wiese stehen und gucken, da kriegt man schon Augenschmerzen. Oder wird kurzsichtig oder ähnliches. Und dafür
kann man der Jungfrau schon mal auf die Schulter klopfen und sagen: Mensch, das hast du toll gemacht. Und dann besinnt sich die Jungfrau vielleicht, dass sie den Löwen ein bisschen in sich trägt
und ist dann doch ein bisschen erfreut. Normalerweise ist die Jungfrau sehr nüchtern und sehr spröde, weil sie viel zu tun hat. Und das ist ja auch alles furchtbar wichtig, was sie zu tun hat. Da
bleibt nicht viel Platz fürs Lebendige. Also ein bisschen Lob für die Jungfrau, und dann sieht das Leben, zumindest für einen Moment, schon ganz anders aus.
In der nächsten Lektion werden wir uns wieder in einen neuen großen anderen Lebensbereich begeben, nämlich den dritten Quadranten, also in die geistige Ebene. Und dieser dritte Quadrant beginnt
mit dem Waage-Prinzip, beziehungsweise dem Planeten Venus und dem 7. Feld.
Kernprinzip:
Wahrnehmung des Lebens (Aufmerksamkeit), Analyse des Wahrgenommen (Bewertung), Anpassung an das Wahrgenommene = Vernunft = unbewusste seelische Reaktion = Reflex.
Leit-Bild:
Natur: die Windmühle (Verwertung). Tier: der Revierwarner. Mensch: der Buchhalter
Ur-Angst:
vor Hingabe an das Leben (Verlust der Aufmerksamkeit)
Grund-Problem:
Starke Vernunftsbetonung (Vorsicht sagt eher Nein als Ja) führt zu seelischer Verstopfung und Kargheit. Das Ausgeliefertsein an die Umstände verhindert Weitblick - ermöglicht aber
Detailkenntnis. Sagt immer: Vielleicht...
Mythologie:
Demeter und ihre Tochter Persephone: Persephone wird von Hades, dem Gott der Unterwelt geraubt. Demeter lässt die Erde verdorren, da sie ihre Tochter wiederhaben will. Zeus lässt sich überzeugen
und erlaubt Demeter ein halbes Jahr mit Persephone zusammen zu sein. Danach muss Persephone wieder zurück zu Hades in die Unterwelt, bei dem es ihr –wider des Erwartens der Mutter- recht gut
gefällt. Es erscheint die Doppelnatur Jungfrau/Dirne, eben die Unbeständigkeit jungfräulicher Vollkommenheit im Diesseits. Bei Demeter ist Persephone Jungfrau/Tochter, bei Hades ist sie
Dirne/mütterliche Geliebte. Hier spiegelt sich die geheime, oft ungelebte und paradoxe Seite der Jungfrau, die ihr selbst oft nicht bewusst ist: daher auch die Angst vor Chaos und dem eigenen
Inneren (symbolische Unterwelt).
Baustein 6:
Das 6. Lebensprinzip ist die 3. Stufe der Entstehung des Innerseelischen im 2. Quadranten. Es ermöglicht es der sich zeigenden Empfindung (im Sinne von Identität und Emotion), sich an die
Bedingungen der Welt reflexartig anzupassen und möglichst unbeschadet zu bleiben.
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