9. Lebensprinzip / SCHÜTZE / JUPITER / FELD 9

 

Wir kommen in dieser Lektion zu einem wiederum relativ wesentlichen Abschnitt im Tierkreis, zum Schützen, beziehungsweise zum Planeten Jupiter und dem stellvertretend 9. Feld. In einem gewissen Sinne ist das Schütze-Prinzip insofern etwas Besonderes, als es häufig mit der Jungfrau, mit dem Jungfrau-Prinzip im Tierkreis, eine gewisse Geringschätzung erfährt, seitens der Astrologen. Aus meiner persönlichen Sicht heraus vor allen Dingen dadurch, dass die Tiefe, die dem Schütze-Prinzip im Grunde genommen innewohnt und auf die ich nachher auch noch eingehen muss, in der Regel nicht im ganzen Ausmaß gesehen wird. Der Schütze wird von vielen, normalerweise sehr professionell arbeitenden, Astrologen zu sehr in seiner oberflächlichen Verhaltensweise, Freundlichkeit, in seinem sogenannten Optimismus gesehen. Sodass eine gewisse Seichtheit und eine gewisse Harmlosigkeit im Schütze-Prinzip vermutet wird, beziehungsweise dem Schütze-Prinzip angedichtet wird. Diese Seichtheit oder Harmlosigkeit ist in keinem Falle repräsentativ für dieses Prinzip.

 

Zunächst muss man sich, und das ist auch als Untermauerung des eben Gesagten gemeint, immer wieder ganz eindeutig vergegenwärtigen, dass das Schütze-Prinzip das Folgeprinzip des Skorpions ist. Und wenn im Tierkreis das folgende die Erfahrung des vorhergehenden bereits in sich trägt und speichert, dann ist es eindeutig, dass das Schütze-Prinzip den Skorpion in sich trägt. Von dem wissen wir mit Sicherheit, dass er eine ungeheure seelische, wie auch geistige Tiefe, die durchaus bedrohliche Ausmaße annehmen kann, repräsentiert. Insofern ist diese geistige und seelische Tiefe im Schütze-Prinzip enthalten. Nur gibt es im Folgeprinzip Schütze einen gravierenden Unterschied, denn sonst wären das zwei identische Zeichen, von denen wir hier reden würden. Es gibt einen gravierenden Unterschied, der vom Schützen aus betrachtet gegenüber dem Skorpion gilt. Der Unterschied ist bildlich ausgedrückt die Befreiung aus der Finsternis. Der Skorpion ist die Finsternis. Der Skorpion stellt die Begierden des menschlichen Denkens und der menschlichen Seele dar, damit auch sämtliche Untiefen in all diesen Lebensbereichen. Und eine Untiefe ist ein Begriff, der sicherlich eher das Finstere als das Helle symbolisiert. Der Skorpion ist die menschliche Finsternis.

 

Der Schütze, der sehr wesentlich ein Feuerzeichen und sogar das Letzte im Tierkreis darstellt, ist insofern die Befreiung aus der Finsternis. Dieses Schütze-Jupiter-9.-Feld-Prinzip findet nun den Weg aus der finsteren Höhle, aus dem finsteren Tal. Wieder an die Oberfläche der Erde.  Dort wo er Licht vorfindet, das nachher auch für das eigentliche Kernprinzip der Sichtbarmachung wesentlich ist. Wo er wieder ans Licht kommt bzw. im Licht steht, um seinen Weg weiter in den vierten Quadranten zu finden. Der Schütze hält sich nicht mehr lange am Boden im Licht auf. Er ist relativ froh, dass er aus dem finsteren Tal des Skorpions entkommen ist. Und er wird versuchen, Flügel zu bekommen, um dann in den vierten Quadranten abheben zu können. Diese Situation, dass der Schütze Flügel bekommt und abhebt, die ist zwar prinzipiell möglich, aber sie würde eigentlich nicht mehr zum Schütze-Prinzip gehören, sondern einem Lebensprinzip des vierten Quadranten überlassen bleiben.

 

 

Der Schütze bringt es ans Licht. Und er bringt das ans Licht, was an festen geistigen Bildern – erinnern Sie sich bitte an das frühere Beispiel mit dem Fotografen – was an festen, geistigen Bildern unentwickelt, also unbelichtet, ohne im Licht stehend im Skorpion entstanden ist. Diese festen geistigen Bilder werden jetzt, und sie stellen sozusagen einzelne Puzzleteile des Gesamtbildes dar, ans Licht gebracht. Sie werden sichtbar gemacht und veranschaulicht. Und in einem Bild - denn wir sind immer noch im dritten Quadranten und da geht es nur um Bilder, um Abbilder des Wirklichen - zu einem Gesamtbild zusammengesetzt oder sehr sinnvoll gesagt zusammengefügt.

  

Es gibt den alten, wesentlichen, wichtigen Begriff der Fügung, meistens gebraucht im Zusammenhang mit dem Schicksalsbegriff. Fügung des Schicksals. Das Fügen heißt im Grunde genommen zusammensetzen - es kommt aus dem Begriff der Fuge, sowohl musikalisch betrachtet - denken Sie an Johann Sebastian Bach oder denken Sie einfach ans Handwerkliche, wenn Stein an Stein gesetzt wird und Fugen abgedichtet werden. Alles das heißt ein Zusammensetzen von Einzelteilen. Fügen bedeutet das Zusammensetzen von Einzelteilen. Und im Sinne des  Schützen am Licht oder im Licht, dass aus den Einzelteilen zusammengesetzt ein sichtbares zusammengesetztes gefügtes Bild ergibt. Ein zusammengefügtes Bild, was sichtbar ist, genau dieser Vorgang, diese Situation, erbringt oder ergibt Sinn. Der Schütze, das steht sogar auf den kleinen Zuckerstückchen, der Schütze sucht nach dem Sinn des Lebens. Dann sind es allerdings schon ziemlich gehaltvolle Zuckerstückchen, muss ich sagen, wenn das so darauf beschrieben steht. Man kann sagen, der Schütze sucht nach dem Sinn, auch für das Leiden, was er im Skorpion erfahren hat.

  

Aber diese Suche nach dem Sinn, die erst mal nichts weiter als eine Beschreibung ist, wird durch den Schützen dadurch erbracht, dass er die Einzelteile, die er im Skorpion gefunden hat, die Einzelteile des Leidens, wenn man so will, zu einem sichtbaren Bild zusammensetzt. Und in der Sichtbarkeit des gesamten Bildes erscheint der Sinn. Der Sinn, den ein Mensch im Leben sucht, ist nichts anderes als der Versuch, die einzelnen Teile, die einzelnen Lebensabschnitte des Leidens - die einzelnen Lebensabschnitte, in denen gelitten wurde - zu einem Gefüge zusammenzubauen, das dann Sinn macht. Der Schütze sucht nicht nur nach dem Sinn, sondern er sucht, und das ist auch das Wesentliche, was er auch an Merkmalen, nach denen er suchen kann, zur Verfügung hat, er sucht nach dem Sinn des Leidens in seinem Leben. Und das ist für viele Jupiter- oder Schütze-betonte Menschen oft zunächst das Allergrößte, was sie erreichen können. Wenn sie den Sinn des Leidens in ihrem Leben ergründen können. Dazu müssen sie aber die einzelnen Teile des Leidens finden und zu dem besagten Bild im Lichte zusammenstellen.

 

 

Nun ist so viel die Rede gewesen von dem Licht, in dem der Schütze sein Werk vollbringt. Deshalb möchte ich gerne etwas zu dem Licht sagen, um das es hier eigentlich geht. Dort steht als Naturbild, als Bild aus der Natur die Flamme, als das kontemplative Licht. Es ist das Licht einer Flamme oder das Licht einer Kerze. Es ist nicht das gleißende Sonnenlicht und es ist auch nicht das Licht eines lodernden großen Feuers. Ersteres wäre die Sonne, der Löwe, zweites wäre der Widder, der Mars. Aber der Schütze ist interessanterweise ein gedämpftes Licht. Und so sind auch alle Farben, die zum Schütze-Prinzip gehören, gedämpfte Farben. Wenn man so will, Töne, die etwas Warmes, etwas gedämpftes Warmes, Beruhigendes in sich haben. Der Schütze ist eigentlich eine Lichtfärbung, die etwas Meditatives in Anlehnung an den kommenden oder sich ankündigenden vierten Quadranten in sich trägt.

 

Ich erinnere mich immer sehr gerne an ein Zitat aus dem Roman „Siddhartha“ von Hermann Hesse, in dem Siddhartha beschrieben wird als ein Jüngling, sehnlichst auf der brennenden Bahn seiner jungen Wünsche stürmend. Das ist eine wunderschöne Formulierung, die auch, weil Hermann Hesse selber auch eine extreme Schütze-Betonung hatte, das Jupiter-Prinzip sehr schön widerspiegelt. Begehrlich auf der brennenden Bahn seiner jungen Wünsche stürmend. Aber alles, selbst bei der Beschreibung dieses jungen Siddhartha, mit einer gewissen Vorsicht, mit einem gewissen Bedacht, der eigentlich für das Alter gar nicht entsprechend ist. Es geht hier um ein gedecktes, um ein gedämpftes, um ein Licht, das im Grunde genommen Andacht vermittelt. Stellen Sie sich eine kleine, schlichte Kapelle vor, irgendwo auf dem Land, in der ein Mensch ein Gebet zu Gott spricht und eine Kerze in seiner Hand hält. Dieses Bild entspricht dem Licht, das der Schütze repräsentiert. Es ist also ein Licht, das besinnlich macht. Und auch in diesem Wort, Besinnlichkeit, ist die Suche nach dem Sinn oder das Genießen der Situation, des Zustandes, den Sinn gefunden zu haben, bereits enthalten.

  

Wie auch die Jungfrau, ist der Schütze ein Lebensprinzip, das relativ einfach zu verstehen ist, weil es nur wenige Merkmale gibt, die man im Kern des Wesens wirklich wissen muss. Aber das ist offensichtlich ein Widerspruch. Die Einfachheit vieler Lebensprinzipien führt möglicherweise oft dazu, dass manche sich nicht ausreichend, nicht genügend damit beschäftigen und dann doch einen fälschlicherweise dummen, beziehungsweise oberflächlichen Überblick behalten.

 

 

Abgeleitet aus dem vorher Gesagtem, also aus dem ständigen Versuch des Schütze-Prinzips, den Sinn des Lebens durch das Zusammenfügen aller kleinen Leidenserlebnisse, die im Skorpion erfahren worden sind, zu finden, kann man auch sagen, dass die Urangst des Schütze-Prinzips die Angst vor Sinnlosigkeit sein muss. Das heißt die Angst vor der möglichen Unfähigkeit, im Licht einer Erkenntnis nicht in der Lage zu sein, die Puzzleteile so aneinander zu fügen, dass ein Bild entsteht, das der entsprechende Mensch verstehen kann, der in seinem Leben gelitten hat.

 

Wenn das Schütze-Prinzip im Tierkreis die Aufgabe hat, dem Menschen einen Sinn des Leidens zu vermitteln, das er im Leben mehr oder weniger ausgeprägt erfährt, dann ist die Situation, in einer Sinnlosigkeit zu existieren, für das Schütze-Prinzip extrem schlimm. Wenn man versucht, diesen Gedanken im buddhistischen Sinne weiterzuspinnen: da existiert die Vorstellung, dass das Leben im Diesseits sowieso ausschließlich auf Leiden basiert.  Und dass die Erlösung vom Leiden nur durch Erleuchtung und zu Lebzeiten durch einen meditativen Weg erreicht werden kann.

 

Auf der anderen Seite ist aber der Kern fast jeder Religion, egal ob Buddhismus oder Christentum oder Islam oder auch sogar zum Teil der Naturreligionen, immer die Idee, dass der Mensch durch den Glauben vom Leiden erlöst wird. Das Versprechen, dass im Himmel – oder im Paradies oder wie auch immer das dann jeweils genannt wird  – kein Leiden mehr existiert, das ist ein Versprechen, mit dem die Religionen auf den Menschen zugehen und versuchen, ihn für ihre Zwecke zu gewinnen.

 

Das hat natürlich auch viele Nachteile. Denn ob das Versprechen eingehalten werden kann, kann man in der Regel zu Lebzeiten nicht überprüfen. Wenn wir also davon ausgehen können, dass das Schütze-Jupiter-9.-Feld-Prinzip mit Glauben, mit Religion, mit Philosophie zu tun hat, dann muss an dieser Stelle Folgendes gesagt werden. Die Möglichkeit, dass der Mensch glauben kann, beziehungsweise dass er zur Religion und zur Philosophie fähig ist, dass er also aus seiner Sicht sinnvolle geistige Gebäude aufbauen kann, in denen er sich aufhalten kann, in denen er versuchen kann, zwischen Gott und sich selber, eine Brücke zu bauen, diese Fähigkeit ist im Tierkreis sehr wichtig und taucht erstmalig im Schütze-Prinzip oder im 9. Feld auf.

 

Man sollte sich mal darüber Gedanken machen, an welcher Stelle das auch auftaucht. Das ist eigentlich die Nahtstelle zwischen der Verbindung des ersten, zweiten und dritten Quadranten, also dem Körperlichen, Seelischen, Geistigen, und dem vierten Quadranten. Der erste, zweite, dritte Quadrant zusammengenommen, diese drei Quadranten kann man als das Menschliche oder den menschlichen Abschnitt des Tierkreises betrachten. Der vierte Quadrant ist, wenn man so will, der göttliche oder metaphysische Bereich -  wenn einem der Begriff „Gott“ nicht so behagt. Der Schütze oder das 9. Feld ist genau die Bindestelle zwischen dem Menschlichen und dem Metaphysischen bzw. dem Göttlichen.

 

 

So ist alles, was das Schütze-Prinzip betrifft, der Versuch des Menschen, oben und unten oder sich selbst und Gott bzw. das Metaphysische in eine Verbindung zu bringen. Insofern kann man auch Religion und Philosophie als genau diesen Versuch verstehen. Mit Religion und mit Philosophie versucht der Mensch, einen Sinn in seinem Leben zu sehen, einerseits - wenn er nach hinten blickt, im Sinne des Skorpions - aber auch einen Sinn in all dem zu finden, was er bisher im Stadium des Schützen noch nicht erklären kann. Das wäre dann im Sinne des Blicks nach vorne gemeint, in den vierten Quadranten. Denn dort sind all die Dinge abgelagert, die zunächst unvorstellbar sind.

  

Wenn der Schütze nun an dieser Bindestelle zwischen oben und unten, zwischen Mensch und Gott hängt, wenn er noch nicht wirklich der vierte Quadrant ist, dann muss aus diesem Versuch, weil mehr ist es im Moment noch nicht, dann muss aus diesem Versuch heraus auch ein entsprechender – für das Schütze-Prinzip kann man sagen, meist geistiger – Schmerz entstehen. Dieser geistige Schmerz, den der Schütze empfindet, weil er nicht vollständig den Sinn des Lebens ergründen kann, dieser Schmerz wird in dem Begriff „Sehnsucht“ gut dargestellt. Der Schütze ist das sehnsüchtige Prinzip im Tierkreis, wobei die Sehnsucht des Schützen dadurch entfacht wird, dass er einen Blick in die Weite des vierten Quadranten wirft und eine vage Vorstellung davon bekommt, was alles noch möglich wäre.

 

Auf der anderen Seite aber gleichzeitig auch die Erkenntnis hat, dass er nicht aus eigener Kraft in der Lage ist, also als Schütze oder Jupiter selber, den vierten Quadranten vollständig zu erobern. Oder wir würden etwas schlichter sagen können, den vierten Quadranten aus eigener Kraft vollständig zu verstehen. Deshalb entsteht das Prinzip der Sehnsucht nach Weitergehendem. Gleichzeitig mit diesem Sehnsuchtsprinzip entsteht auch die Hoffnung, möglicherweise doch über die eigenen Grenzen hinauswachsen zu können. Und wenn die Hoffnung – und Schütze steht für das Prinzip der Hoffnung – entsteht, verbunden aber mit der Sehnsucht nach Weitergehendem, dann muss gleichzeitig auch das Prinzip des Zweifels entstehen.

  

Hoffnung und Zweifel gehören immer zusammen. Wer hofft, ist in einer Situation, das, wonach er sich sehnt, noch nicht zu haben. Er muss deshalb zwangsläufig auch zweifeln, ob es gelingen wird. Das heißt der Zustand des Schützen ist das Gegenteil bzw. der oppositionelle Zustand zu dem Zustand, den wir Gewissheit nennen. Gewissheit ist ein Begriff, der zum Fische-Prinzip gehört, also zum Ende des vierten Quadranten. Und Sie wissen bereits, dass die Fische inhaltlich in einem 90-Grad-Winkel, das heißt astrologisch in einem Quadrat zum Schützen stehen. Zwei Zeichen, die sich im Quadrat befinden, schließen sich aus – sie sind nicht nur gegensätzlich als Ergänzung zu verstehen, sondern sie schließen sich vollständig aus.

  

Insofern ist Gewissheit - der Begriff für das Fische-Prinzip - etwas vollkommen anderes als das Prinzip der Hoffnung, beziehungsweise das dazugehörende Prinzip des Zweifels. Zweifel und Gewissheit sind zwei vollkommen unterschiedliche Dinge, die sich ausschließen. Das was dem Schützen fehlt, ist Gewissheit aus einer tatsächlich in der Wirklichkeit gemachten Erfahrung. Der Schütze lebt im dritten Quadranten, damit lebt er in der Vorstellung, damit lebt er in Bildern. In der Vorstellung zu leben ist relativ einfach gegenüber der Wirklichkeit, wenn man sich mit dieser konfrontiert sieht. Und so kann der Schütze, weil er das im Skorpion bereits gelernt hat, die Bilder, die er zusammensetzt, zum Teil auch noch ansprechend manipulieren und verändern. Er wird aber dennoch im Kern, weil er sozusagen schon am Anbeginn des vierten Quadranten sitzt, eine Ahnung davon bekommen - das ist auch ein relativ wichtiges Wort für den Schützen - eine Ahnung davon bekommen, dass das Bild, was er zusammensetzt, nicht die ganze Wahrheit ist.

 

  

Deshalb ist immer ein kleiner Zweifel, wie so ein kleiner Splitter, in seinem Kopf, und der tut immer ein bisschen weh. Der Zweifel ist immer verbunden mit der Hoffnung, vielleicht doch das Wirkliche vollständig erkennen zu können. Aber wir können sicherlich prinzipiell sagen, dass der Schütze dazu nicht in der Lage ist. Er ist die vorbereitende Stufe. Das sollte aber niemanden jetzt in Verzweiflung – eine typische Schütze-Situation – stürzen, denn jeder Mensch besteht nicht nur aus dem Schütze-Prinzip oder dem 9. Feld oder dem Jupiter, sondern jeder Mensch hat ein Gesamthoroskop mit allen anderen Prinzipien auch. Also gibt es selbstverständlich auch für den armen, verzweifelten Schützen im Prinzip die begründete Hoffnung, dass auch er irgendwann Gewissheit im Sinne des vierten Quadranten erlangen kann.

 

Obwohl es möglicherweise recht weh tut, wenn man gerade selber eine Schütze-Betonung hat, könnte man hier sagen, um den Schützen ganz klar und eindeutig gegen den vierten Quadranten, im Speziellen gegen die Fische zu unterscheiden, es gibt zwei Bilder, zwei menschliche Archetypen, die im Schützen und im Fische-Prinzip verankert sind. Dem Schützen entspricht der Archetyp des Priesters, und den Fischen entspricht der Archetyp des Heiligen. Priester und Heiliger, das sind zwei Figuren im menschlichen Dasein, die im Grunde genommen genauso unvereinbar sind wie das Schütze- und Fische-Prinzip. Und zwar in dem Sinne, als der Priester keine wirklichen Einsichten, keine wirkliche Erkenntnis von einer gemachten Erfahrung hat, die ihm Gewissheit bringt, wenn er über Gott redet. Das einzige, was er tut, ist über Gott zu reden. Das hat aber nichts damit zu tun, dass er die Gewissheit, dass er die tatsächlich wirklich gemachte Erfahrung mit Gott hat. Insofern besteht beim Schütze-Prinzip oder bei der Schütze-Betonung in einem Horoskop immer die Gefahr, dass man über Dinge redet, aber nicht wirklich weiß, wovon man redet.

 

Es ist in dem Sinne relativ leicht, einen Schütze-haften, positiven, möglicherweise sogar bombastischen Eindruck bei anderen Menschen zu hinterlassen. Daher ist die menschliche Figur, die dem Schützen relativ nahekommt, auch die des Hochstaplers. Schütze-betonte Menschen versprechen in der Regel oft mehr als sie halten können, und müssen versuchen, ihr Wunsch-Ich gegen das reale Ich, was sie eigentlich haben, etwas abzugleichen. Sicherlich fällt ihnen das schwer, weil sie das sehnsüchtige Prinzip auch in sich tragen, und verständlicherweise mehr aus sich machen möchten, als sie eigentlich sind. Aber wenn sie das nicht tun, dann wird ihnen das nächstfolgende Prinzip im Tierkreis, der Steinbock, eine gehörige Portion Demut und Geduld und gleichzeitig auch Askese beibringen.

 

 

Der Priester, diese Figur, ist letzten Endes nur dazu da, um den Menschen an den Inhalten des vierten Quadranten, also an der Wirklichkeit oder im Sinne des Priesters gesagt, an Gott zu orientieren. Der Priester ist nichts weiter als ein Orientierer, der den Menschen aus bestem Wissen nur sagen sollte, in welche Richtung sie gehen müssen, um Gott zu finden. Aber wenn er selbst so tut, als wäre er fast Gott - und es gibt einige Gestalten zu allen Zeiten auf der Erde, bei denen man den Verdacht haben kann, dass sie das meinen zu sein - dann ist dieser entsprechende Mensch in sehr großer Gefahr. In großer Gefahr nicht nur körperlich in den entsprechenden Organen oder Körperbereichen des Schütze-Prinzips zu erkranken, sondern auch seelisch und geistig.

 

Dem gegenüber steht die Figur des Heiligen. Der Heilige ist in der Regel eine Figur, die bei weitem nicht so reich, pompös ausgestattet ist, wie es der Priester ist. Ich denke, dass die katholische Kirche – ohne jetzt jemandem, der dort sehr involviert ist, zu nahe zu treten – ein gutes Beispiel für das Schütze-Prinzip im institutionellen Sinne ist. Denn die katholische Kirche ist relativ reich ausgestattet, nicht nur, was die Gebäude angeht, sondern auch, was das Vermögen und so weiter angeht. Dem gegenüber ist der Buddhismus sicherlich eine religiöse Form, die eher schlichtere Züge hat. Und die möglicherweise dann auch mehr dem Fische-Prinzip entsprechen würde.

  

Diese Figur des Heiligen ist nun jener Archetyp, der das Prinzip der Gewissheit, der erlangten Gewissheit aufgrund einer persönlich gemachten Erfahrung mit denjenigen Inhalten, über die er gegebenenfalls dann noch spricht, symbolisiert. Der Heilige ist auch eine archetypische Figur, die im Unterschied zum Priester nichts von den Dingen hergibt, nicht über die Dinge spricht - von sich aus, d.h. wenn nicht danach gefragt wird. Der Priester auf der anderen Seite ist eher eine Figur, die, um es salopp auszudrücken, auch unaufgefordert spricht. Der auch aus einer inneren Euphorie heraus, möglicherweise bald Gott erreichen zu können, allen verkündet, dass das nun kurz bevorsteht. Das ist jetzt natürlich eine sehr stilistische und vereinfachte Beschreibung, aber im Prinzip denke ich trifft es den Kern der Sache.

 

 

Der Heilige, den kann man sich eher als einen Einsiedler vorstellen, der im Wald lebt oder in einem verlassenen, zurückgezogenen Kloster. Wobei Klöster selbstverständlich auch diese Zurückgezogenheit bieten, beziehungsweise symbolisieren. Und dort redet man nicht zur Welt, sondern wartet, bis ein Mensch aus der Welt zu einem kommt und gegebenenfalls um Hilfe oder um Ratschlag bittet. Der Priester auf der anderen Seite ist aber einer, der sich relativ in der Welt befindet, im Unterschied zu den Heiligen, die sich eher außerhalb der Ansiedlungen aufhalten. Der Priester wird also von sich aus ein entsprechendes Angebot an die Menschen haben. Und insofern ist die eigentliche Haltung den Menschen gegenüber auch eine sehr unterschiedliche. Der Priester geht auf die Menschen zu und fordert sie auf, ihm zu folgen. Der Heilige tut das aber nicht.

 

Insofern ist die Zurückgezogenheit desjenigen, den wir den Heiligen nennen, auch eine Konsequenz aus der Gewissheit, die er erlangt hat. Denn aus der Gewissheit heraus ist er sich darüber im Klaren geworden, dass man nicht auf den Menschen zugehen kann, um ihn ohne eigene Kraft dazu zu bringen, den jeweils richtigen Weg einzuschlagen. Sondern der Mensch muss aus sich selber heraus die Kraft entwickeln, den richtigen Weg zu finden. Und wenn auf diesem Wege ein sogenannter Heiliger steht, dann kann man den auch fragen. Aber der Heilige, der Gewissheit über die Lebensgesetze erlangt hat, wird sich  nicht zu den Menschen hinbewegen und versuchen, diese von etwas zu überzeugen – eine typische Tätigkeit des Priesters – was richtig oder was falsch für sie wäre. Jeder muss, sagt der Heilige, seinen Weg aus sich, aus eigener Kraft heraus selbst finden.

 

All diese Unterscheidungen zwischen dem Fische-Prinzip, stellvertretend für den Heiligen, und des Schütze-Prinzips sind im Moment wichtig, um das Schütze-Prinzip genauer verstehen zu können. Insofern muss auch das Grundproblem des Schütze-betonten Menschen - mehr oder weniger ausgeprägt und häufig im Zustand der Verzweiflung zu leben - verständlich werden, einfach vor dem Hintergrund fehlender Gewissheit. Eine fehlende Gewissheit über die Gegebenheiten des Lebens muss früher oder später zur Verzweiflung führen, beziehungsweise muss dazu zwingen, ein Leben aus der Hoffnung heraus zu leben. Was wiederum dazu führt, dass man beginnt gläubig zu werden. Denn der Glaube - bzw. die Religion, die den Glauben umgibt - ist sozusagen die Verheißung in die Richtung, dass das Leiden ein Ende hat. Verzweiflung und das Leben aus der Hoffnung, wie auch das Entstehen des Glaubens, sind letzten Endes eine Analogiekette, die zum Schütze-Prinzip gehört.

 

 

Diese enorme Tiefe, die im Sinne der Verzweiflung im Schütze-Prinzip wartet, die können wir auch in einer mythologischen Geschichte widergespiegelt finden, die zum Schütze-Prinzip, hervorragend passt. Es ist die mythologische Geschichte von dem Zwitterwesen Chiron oder auch manchmal „Kairon“ genannt. Sie haben sicherlich auf bestimmten Bildern schon einmal diese Figur gesehen, die den Hinterkörper eines Pferdes besitzt und ab dem Hals menschlich aussieht - ein menschlicher Rumpf mit einem entsprechenden Kopf und menschlichen Armen. Diese Zwitterfigur - hinten Pferd, das heißt Tier und vorne Mensch - trägt meistens noch einen Pfeil in der Hand, der brennt und nach oben gerichtet ist. Diese Figur kann man einerseits unterscheiden in die hintere Hälfte, das tierisch-animalische, und das Vordere, das Menschliche. Oder wenn man das anders, auf einer höheren Ebene sehen will, dann ist der animalische Teil eigentlich das Menschliche und der vordere Teil das Göttliche. Aber es bleibt, dass dieses Wesen ein Zwitterwesen ist. Und Chiron ist in der Überlieferung ein sehr gutmütiges und freundliches Wesen, was durchaus auch dem Schütze-Prinzip entspricht.

 

Auch in dieser Geschichte gibt es einen Helden, den bekannten Herakles bzw. Herkules. Dieser Held wurde wieder einmal beauftragt, irgendein, neudeutsch gesagt, Monster zu töten. Und dieses Monster, dieses Ungetüm, ist der sogenannte erimantische Eber, also ein überdimensionales Wildschwein, das in der entsprechenden Umgebung dort sein Unwesen treibt. Und Herakles in seinem Übermut sagt natürlich, es ist gar kein Problem, ich habe ein großes Schwert und mit dem werde ich dieses Ungetüm töten können. Chiron ist allerdings der Meinung, dass das ein wirklich heftiger und schwerer Gegner ist, und stellt sich als Hilfe zur Verfügung. Und zwar in dem Sinne, als er sagt, ich bin in der Lage, Gift zu mischen, und zwar ein Gift, was diesen Eber töten kann.

  

Chiron mischt dieses Gift und die Pfeile, die er zum Jagen benutzt, vergiftet er mit diesem Gift. Dann gehen die beiden auf die Jagd nach dem Eber. Auch Herakles benutzt die Pfeile von Chiron. Und man stelle sich das so vor, dass die beiden auf der Jagd sind - der eine geht den Weg, der andere geht den Weg. Und plötzlich raschelt es irgendwo im Gebüsch, und Herakles denkt sich, oh, da ist jetzt das Ungetüm. Er holt seinen Pfeil heraus und schießt in das Gebüsch hinein. Aber es war nicht der Eber, sondern es war Chiron. Chiron wird von seinem eigenen Pfeil, von seinem eigenen Gift verwundet, und bezeichnenderweise auch in der Hüfte getroffen. Denn bis heute steht das Schütze-Prinzip auf der körperlichen Ebene im astromedizinischen Sinne für die Hüfte, unter anderem für die Hüfte. Chiron wird in die Hüfte getroffen. Und jetzt beginnt das eigentliche Drama, denn Chiron ist eine Zwitterfigur, die einerseits menschliche Züge hat - das heißt sie kann leiden und Schmerz empfinden - und ist dazu verdammt, Qualen zu erleiden.

 

 

Auf der anderen Seite ist diese Figur aber auch göttlicher Abstammung. Das bedeutet, dass sie unsterblich ist. Und die Mischung von beidem stellt das eigentliche Drama jetzt dar - beziehungsweise stellt dieses Unendliche, diese unendliche Leidenssituation, die der Schütze dennoch beinhaltet, dar. Denn wenn man göttlicher Abstammung ist, ist man unsterblich. Wenn man allerdings unsterblich ist, gleichzeitig aber auch Höllenqualen erleidet, dann leidet man bis in alle Ewigkeit, da man nicht sterben kann.

  

Die Geschichte endet dann so, dass Chiron sich in eine Höhle zurückzieht. Viele der Dorfbewohner erlangen davon Kenntnis, dass Chiron in der Höhle sitzt, versuchen ihm zu helfen, aber das nützt alles nichts. Chiron mischt ein Gegengift - er versucht es zumindest - das ihm selber allerdings nichts hilft. Es gibt sogar Freiwillige aus dem Dorf, die sich mit dem Gift, mit dem eigentlichen Gift vergiften und dann das Gegengift benutzen. Und bei denen hilft das. Aber bei Chiron hilft es nicht. So endet die Geschichte, dass diese eigentlich sehr freundliche Figur, die nur aus Gutmütigkeit helfen wollte, ein fürchterliches Ende nimmt.

  

Kurz unter der Oberfläche des Schützen beginnt die Dunkelheit, die man normalerweise an der Oberfläche des Schützen, an seinem häufig relativ freundlichen und zugänglichen Antlitz nicht sieht. Es gibt noch eine zweite Figur, die sehr gut zum Schütze-Prinzip aus der griechischen Mythologie passt. Das ist die Figur des Prometheus. Prometheus ist derjenige, der den Göttern das Feuer stiehlt, um es den Menschen zu bringen. Denn er hat Mitleid mit den Menschen, weil diese so frieren. Weil sie eben kein Feuer zum Wärmen haben. Feuer, Wärme braucht man zum Leben, und Prometheus denkt sich, wenn die Götter den Menschen das Feuer vorenthalten, dann müssen die Menschen früher oder später alle sterben. Und das will er nicht.

  

So stiehlt er den Göttern vom Olymp aus dem Himmel das Feuer und bringt es den Menschen, die ihm zutiefst dankbar dafür sind. Allerdings sehen die Götter das selbstverständlich anders. Sie bestrafen Prometheus für diesen Raub, denn sie empfinden das als eine ungeheuerliche Tat. Sie bestrafen ihn, in dem sie ihn an einen Felsen mit Ketten schmieden. Dort muss er nun Zeit seines Lebens, und das heißt zumindest nach der Überlieferung bis in alle Ewigkeit, stehen. Dem ist aber nicht genug, sondern er wird auch noch dazu verurteilt, dass ein riesiger Adler jeden Tag zu ihm geflogen kommt und ihm ein Stück seiner Leber heraus frisst. Wahrlich eine sehr unschöne Vorstellung.

 

 

Aber die griechische Mythologie und überhaupt die damaligen Zeiten scheinen ja eh von einer ausgeprägten offensichtlichen Grausamkeit geprägt zu sein. Heute ist das alles ein bisschen subtiler. Aber in keinem Fall ist es so, dass es weniger Grausamkeit gibt. In der Geschichte ist interessant, dass das Organ Leber auch heute noch im astromedizinischen Sinne dem Schützen zugeordnet wird. Das haben damals sicherlich - so unterstelle ich mal - die Schreiber der entsprechenden mythologischen Geschichten, oder soweit das in Wirklichkeit geschehen sein mag die Aufzeichner dieser Geschehnisse, nicht gewusst. Dass die Leber astrologisch zum Schützen gehören soll. Aber es ist ein interessantes Detail, dass sowohl die Hüfte von Chiron, als auch die Leber von Prometheus jeweils verletzt werden, aufgrund einer Handlung, die direkt im Schütze-Prinzip eingelagert ist. Das heißt eine Handlung, die versucht, den Menschen zu helfen. Es ist ein helfender Impuls, der im Schütze-Prinzip wartet. Allerdings hat dieser helfende Impuls häufig unangenehme Konsequenzen.

 

Die Hilfe, um die es hier eigentlich geht, das ist eingangs dieser Lektion bereits erwähnt worden, ist eigentlich der Versuch des Schütze-Prinzips, den Menschen mit Gott zu verbinden. Oder die Erde mit dem Himmel in Verbindung zu bringen. Und dieser Versuch, im Sinne auch der beiden mythologischen Geschichten, ist, wenn er nur aus dem Schütze-Prinzip selbst heraus unternommen wird, zumindest zu 50 Prozent zum Scheitern verurteilt. Das Schütze-Prinzip bedarf der Hilfe des vierten Quadranten. Und zwar aus dessen freiwilliger Sicht heraus, wenn der Schütze sich selber aufschwingt - Prinzip des Hochstaplers - etwas zu vollbringen, was eigentlich nur der vierte Quadrant vollbringen kann. Oder psychologisch ausgedrückt: was der Mensch nur mit seinen spirituellen Fähigkeiten kann, die im vierten Quadranten liegen - nicht mit denen im Schütze-Prinzip, denn dann kommt es zum entsprechend geschilderten Problem.

  

Wie es im vierten Quadranten aussieht, was dort auf den Menschen wartet, der sich dorthin vorwagt, das werden wir in der nächsten Lektion erfahren.

 

Zusammenfassung in Stichworten

 

Kernprinzip:

Sichtbarmachung = Veranschaulichen des Geistigen. Sinnvolles Fügen zum geistigen Bild als Ganzes.

 

Leit-Bild:

Natur: die Flamme (das kontemplative Licht). Tier: der Pfau. Mensch: der Hochstapler

 

Ur-Angst:

vor geistiger Begrenztheit (Sinnlosigkeit).

 

Grund-Problem:

Leidet an einem Zuviel, daher Tat- und nicht Unterlassungssünden. Geistige Ver-Zweiflung zwingt zum Leben aus der Hoffnung, führt zum Glauben. Es entsteht der Zweifel = Zustand fehlender Gewissheit. Sagt immer: Gut...

 

Mythologie:

Chiron ist ein Wesen halb Mensch, halb Pferd oder mythologisch halb Mensch, halb Gottheit. Er will Herakles bei der Jagd auf den erymantischen Eber mit vergifteten Pfeilen helfen, wird jedoch selbst von seinem eigenen vergifteten Pfeil verwundet. Da er halb menschlicher Abstammung ist, empfindet er Schmerz, da er halb göttlicher Abstammung ist, kann er nicht sterben. Er leidet bis in alle Ewigkeit.

 

Baustein 9:

Das 9. Lebensprinzip ist die 3. Stufe der Entstehung des Geistigen im 3. Quadranten. Es ermöglicht allen Wesen den Austausch von Wissen untereinander. Es entsteht die nach dem Sinn fragende Vorstellung.