10. Lebensprinzip / STEINBOCK / SATURN / FELD 10

 

Es ist nun an der Zeit, dass wir einen, zumindest auch was den Astrologie-Kurs angeht, ganz besonderen wesentlichen Schritt tun. Das ist der Schritt in eine - etwas bombastisch ausgedrückt  - zumindest astrologisch gesehen neue Dimension, die mit den normalen menschlich erfahrbaren Gegebenheiten nicht mehr direkt korreliert. Es geht jetzt, wenn wir uns über das Steinbock-Prinzip unterhalten, um den vierten Quadranten. Der vierte Quadrant des Tierkreises - oder später bei der Quadrantenlehre der individuelle vierte Quadrant eines individuellen Horoskops – wird repräsentiert durch die Felder 10, 11 und 12. Es ist ein Bereich, der  vollständig anderen Gesetzmäßigkeiten unterliegt als die ersten drei Quadranten. Also des Körperlichen, des Seelischen und des Geistigen. Diese Dreiheit vom ersten bis dritten Quadranten, kurz Körper, Seele, Geist genannt, diese Dreiheit symbolisiert dasjenige, was dem Menschen aus eigener Kraft mit eigener Absicht, also was dem Menschen aus sich selbst heraus möglich ist.

 

Im Körperlichen, im Seelischen und im Geistigen kann der Mensch eingreifen und sich und die entsprechende Umwelt, beziehungsweise den entsprechenden Lebensbereich, der jeweils von den Quadranten repräsentiert wird, im gewissen Sinne verändern. Man kann die Form des Körpers verändern - wenn man zum Beispiel Übergewicht hat, kann man abnehmen. Wenn man kein Übergewicht hat, vielleicht Untergewicht, kann man zunehmen. Man kann Sport treiben und fürchterlich viele Muskeln anbauen. Man kann es aber auch sein lassen und Arme bekommen, die so dünn sind wie Spargelhalme. Alles das, weiß jeder, ist möglich. Wir können aus eigener Absicht heraus den Körper, die körperliche Zustandsform, verändern.

 

Genauso können wir unsere Gedanken verändern. In den Achtzigerjahren ist es sehr populär geworden, bestimmte Mentaltraining-Programme zu entwickeln, zum Beispiel zur Verkaufsschulung oder überhaupt im gesamten Bereich der Psychologie. Die entsprechende Veränderung der Gedanken eines Menschen, das heißt die Veränderung seiner entsprechenden Einstellung zum Beispiel zu seiner Arbeit etc., führt dann tatsächlich auch dazu, dass das Verhalten eines Menschen sich aufgrund der geänderten Einstellungen, die er aber selber unter Absicht herbeigeführt hat, verändern kann. Ein einfaches und recht bekanntes Beispiel ist der Ausspruch: man darf nicht in Problemen denken, sondern man muss lernen, in Lösungen zu denken. Das ist so ein Spruch, der zum Teil auch aus dem NLP stammt, der eigentlich nichts weiteres präsentiert als die Fähigkeit des Menschen - den Willen dazu vorausgesetzt - die geistige Einstellung aus eigenen Kräften heraus zu verändern, um eine Verbesserung seines Lebens herbeizuführen.

 

 

Im seelischen Bereich ist es genauso gut möglich. Wenn ich Gefühlsmuster habe, wenn ich Gefühlssituationen durchlebe, die mir unangenehm sind, dann kann ich diese Gefühle mehr oder weniger konkret und tiefgehend, je nachdem wie bewusst ich bin, analysieren. Ich kann dann im Sinne der Verhaltensänderung das Verhalten so ändern, dass die entsprechenden Situationen, die negative Gefühle hervorbringen, so nicht mehr zustande kommen. Auch die Gefühlslage ist mehr oder weniger aus freier Absicht heraus änderbar. Das eben genannte Beispiel ist sogar ein relativ kompliziertes. Aber stellen Sie sich vor, Sie sind einfach nicht gut drauf und sagen, ich möchte aber gut drauf sein... ich will nicht, dass es mir heute schlecht geht, weil heute ist Wochenende oder aus irgendwelchen anderen Gründen. Und dann gehen Sie einfach ins Kino und gucken sich einen schönen Film an. Wenn Sie dann rauskommen, dann geht’s Ihnen besser. Das heißt man kann die Gefühlslage selbstverständlich aus freier Absicht heraus ändern. Körper, Geist und Seele liegen im Absichtsbereich des Menschen und sind deshalb aus dem Menschen heraus über dessen Absicht veränderbar. Und genau das kann man im vierten Quadranten nicht erreichen.

 

Der vierte Quadrant ist ein Lebensbereich, in dem Gesetze herrschen, die der Mensch nicht selbst gemacht hat. Sondern die entweder von Gott gemacht oder schicksalhaft vorgegeben sind oder die im Grunde genommen naturgegeben sind. Die psychologisch gesehen denjenigen Teil unseres Anlagepotenzials darstellen, der von uns nicht veränderbar ist. Das heißt der vierte Quadrant, und stellvertretend auch das erste Prinzip im vierten Quadranten, also der Steinbock, repräsentiert auch durch Saturn und das 10. Feld, das symbolisiert einen Lebensbereich, in dem der Mensch nun beginnt - und das setzt sich im vierten Quadranten beim Wassermann und bei den Fischen fort - sein Ego, und damit seinen freien Willen und seine Absicht, im Leben verändernd einzugreifen, aufgeben muss. Denn freiwillig gibt es nur äußerst wenige Menschen, die die Notwendigkeit der Transzendenz überhaupt kennen, beziehungsweise wenn sie sie kennen, auch akzeptieren. Wir werden es hier im vierten Quadranten - vor allen Dingen im Verlauf der späteren Lektionen, wenn wir uns um Konstellationsbilder kümmern - mit den allergrößten Schwierigkeiten zu tun bekommen, die ein Mensch in seinem Leben überhaupt entwickeln kann. Beziehungsweise die einem Menschen in seinem Leben überhaupt begegnen können.

 

Wenn wir versuchen, uns über den Steinbock etwas klarer zu werden, dann können wir uns auch hier vieles aus dem vorhergehenden Lebensprinzip, dem Schützen, erklären. Der Schütze war, wie in der letzten Lektion dargestellt wurde, die Nahtstelle zwischen Erde und Himmel oder zwischen Mensch und Gott. In dem Sinne, weil er noch zum dritten Quadranten gehört - die letzte mögliche Entwicklungsstufe für den Menschen, die er erklimmen kann. Es gibt daher im Tierkreis keine aus eigener Kraft höher zu erklimmende Stufe als die, die wir im astrologischen Sinne „Schütze“ nennen. Der Mensch hat im Schütze-Prinzip, im 9. Lebensbereich, seine volle Blüte erreicht. Wie uns bekannt ist, führt das unter anderem dazu, dass eine gewisse Übertreibung aufgrund dieser Jubelstimmung und der extremen Euphorie, die dem Schütze-Zeichen vom Verhalten her eigen ist, sich sehr leicht breitmacht.

 

 

Da das nächstfolgende Zeichen immer eine Korrektur, und wenn man so will, auch eine Gegenbewegung im Sinne eines Pendels darstellt, wird das Steinbock-Prinzip zwangsläufig dafür sorgen müssen, dass die entsprechende Euphorie und die entsprechende Übertreibung, die das Ego sozusagen als Blüte treiben kann, dass alles das jetzt reduziert wird. In diesem Sinne ist auch der Begriff „Reduzierung“ – und hinzugefügt noch Reduzierung auf das Wesentliche – schon die eigentliche Kernbewegung, die der Steinbock im Tierkreis vollzieht. Beziehungsweise die Reduzierung auf das Wesentliche ist die eigentliche Aufgabe, die im Kern des Steinbock- oder Saturn-Prinzips waltet.

 

Die Reduzierung auf das Wesentliche ist immer, wenn man sich den Vorgang bildlich versucht vorzustellen, verbunden mit dem Abwerfen von Ballast. Das heißt es darf nur noch das übrigbleiben, was wesentlich ist. Das muss dazu führen, dass alles das, was unwesentlich ist - und das Unwesentliche ist aus der Sicht des Steinbocks häufig auch das Aufgeblasene, das unnötig mit Substanz Angereicherte - dass alles das entfernt werden muss. Insofern bleibt zum Schluss ein Konzentrat des Lebens übrig, abgeleitet daraus auch der Begriff der Konzentration. Daher ist die Reduzierung auf das Wesentliche auch gleichbedeutend mit der Konzentration oder der Konzentrationsfähigkeit auf das Wesentliche. Es bleibt ein Konzentrat des Lebens übrig, ein kleiner destillierter Extrakt.

  

Dieser kleine letzte Extrakt, der das Konzentrat des Lebens darstellt, stellt auf der anderen Seite aber auch das Allerwesentlichste, beziehungsweise das Bedeutendste dar, das das Leben hervorbringen kann. Nun ist es aber so, dass wir im vierten Quadranten sind. Wir befinden uns in einem Bereich, in dem der Mensch aus seiner Subjektivität heraus die Dinge vollkommen anders beurteilt, als es der vierte Quadrant selbst tut. Wir könnten vereinfachend sagen: als es Gott selber tut. Denn das, was jetzt hier aus Gottes Sicht oder aus der schicksalhaften Sicht oder aus der Sicht der ureigensten Anlage als bedeutend angesehen wird, wird aus der subjektiven Sicht des Menschen keineswegs als bedeutend angesehen.

  

Im Gegenteil. Das Problem, was Saturn oder stellvertretend das Steinbock-Zeichen dem Menschen bereitet, ist, dass er ihm Dinge wegnimmt. Das Steinbock dem Menschen Dinge wegnimmt, von denen der Mensch in seiner kleinen Subjektivität meint, dass sie für ihn sehr bedeutend wären. Aber aus übergeordneter Sicht des vierten Quadranten sind das Dinge, die vollkommen unwichtigen Plunder darstellen und in diesem Sinne nichts mit einer Bedeutsamkeit, die auch immer eine überpersönliche, also nicht mehr subjektive Note hat, zu tun haben.

 

 

Insofern wird der Saturn dafür sorgen, dass dem Menschen Dinge genommen werden. Stichwort: Reduzierung auf das Wesentliche. Allerdings müssen Sie bitte davon ausgehen, dass dieser Vorgang, der ja nichts weiter als eine Regulierung, eine Angleichung an die Wirklichkeit darstellt, dass das dem Menschen wehtut. Denn es werden ihm über Saturn und Steinbock, beziehungsweise im 10. Feld, Dinge genommen, die er subjektiv als bedeutsam ansieht, die es aus übergeordneter Sicht des vierten Quadranten aber nicht sind.

 

So hat man daher im Laufe des Lebens zu lernen, was wichtig ist, was wesentlich ist. Und wenn man das nicht tut, dann wird man mit dem Saturn-Prinzip oder mit dem Steinbock-Prinzip oder überhaupt mit allem, was Saturn und Steinbock im eigenen Radix-Horoskop betrifft, große, große Probleme bekommen. Man wird in dem Sinne sehr harte, aus der Sicht des vierten Quadranten aber auch sehr gerechte, Lektionen zu lernen haben. Und in dem Sinne, je saturnischer man ist, durch eine relativ harte Schule des Lebens gehen. Die saturnische Betonung in einem Horoskop deutet auch allgemein immer an, dass dieser Mensch, obwohl er das selber, wenn man ihn fragen würde, aus seiner subjektiven Haltung heraus nicht möchte, dass er eine harte Lebensschule vor sich hat und sehr, sehr viele Prüfungen zu bestehen hat.

 

Der Saturn ist der astrologische Repräsentant dessen, was wir den Diamanten nennen. Und der Diamant, der ja aus reinstem Kohlenstoff besteht, ist zumindest was die aus der Natur hervorgebrachten Materialien angeht, das härteste, was es überhaupt gibt. Insofern würde man sagen können, dass wenn ein Mensch durch die harte, saturnische Schule gegangen ist - und dazu braucht es mehrere Lebensjahrzehnte, denn alles, was Saturn berührt (Saturn gleich Kronos, Kronos = die Zeit) ist an die Zeit gebunden und braucht Zeit - liefert allerdings auch sehr wichtige Erfahrungen. Alles das wird sehr, sehr lange dauern. Der Mensch ist dann wie ein wunderbarer Rohdiamant, der eine natürliche Schönheit und – wichtiges Stichwort – Würde in sich trägt, die ihm niemand nehmen kann. Aber dazu, zu dem Stichwort der Würde, was aus meiner bisherigen astrologischen Erfahrung für das Steinbock-Prinzip etwas ungeheuer Wichtiges ist, dazu später noch ein bisschen mehr.

  

Eine kurze bisherige Zusammenfassung: Vom Kernprinzip her geht es im Sinne des Steinbocks oder Saturns um die Reduzierung auf das Wesentliche. Das heißt um die Konzentration auf das Wesentliche. Das bedeutet, dass einem alles das plötzlich bewusst wird, was im Sinne einer vorher durchlaufenen positiven Entwicklung, was wirklich überpersönlich von Bedeutung ist. Wenn man das, was überpersönlich bedeutend ist, wenn man das Wesentliche erkannt hat, dann bedeutet das im Sinne des Steinbocks, dass die Fähigkeit erworben worden ist, das Leben in eine entsprechende Hierarchie zu bringen. Das heißt zu erkennen, was wichtig und was unwichtig ist - und das bedeutet auch Hierarchie letzten Endes. Demnach beinhaltet die Hierarchie gleichzeitig auch die Fähigkeit der Strukturierung von Leben. Man erkennt, welchen inneren Halt das Leben besitzt, beziehungsweise welche Dinge das Leben im Inneren zusammenhalten. Das wiederum bedeutet, dass man erkennt, welche höhere Ordnung hinter dem Leben steht. Das Erkennen der höheren Ordnung des Lebens ist wiederum umgekehrt gesagt verbunden mit der Erkenntnis der Struktur des Lebens, und das ist verbunden mit der Erkenntnis, dass alles Leben hierarchisch geordnet ist.

 

 

Wenn man diese Erkenntnis über das Saturn-Steinbock-Prinzip erlangt hat, dann wird einen klar, dass es wesentlich ist, dass alle Dinge ihren gerechten Platz im Leben zugeteilt bekommen. Denn wenn dieser Platz, den man sich nimmt, den der Mensch sich möglicherweise auch aus seiner subjektiven Kleinheit heraus nimmt, dann kann es sehr gut passieren, und das ist normalerweise auch der Fall, dass es der falsche Platz ist. Das man erst im Laufe des Lebens die Fähigkeit erwirbt, seinen gerechten Platz, der einem schicksalhaft zugewiesen worden ist, einzunehmen. Und bitte nicht falsch verstehen - es geht hier nicht darum, dass es jetzt innerhalb des Menschseins ein fürchterliches Gerangel um die vordersten Plätze im Leben gibt. Sondern es geht darum, dass man den Platz einnimmt, der einem schicksalhaft zugewiesen worden ist. Das heißt man hat hier keine eigenen Entscheidungsfähigkeiten, sondern es gibt - zum Beispiel im Sinne des karmischen Gedanken - einen entsprechenden Platz, den man im Leben einzunehmen hat.

  

Wenn man diesen Platz einnimmt, dann ist das gleichbedeutend – und das ist eine sehr tiefgehende saturnische Erkenntnis, beziehungsweise eine astrologische Erkenntnis über den Saturn – dass man dann eine ganz tiefe Zufriedenheit, und etwas schlichter formuliert, Glück empfindet. Denn Glück kann auch unter anderem über Saturn dadurch zustande kommen, dass man seinen Platz im Leben gefunden hat, dass man sich selbst gerecht geworden ist. Und das bedeutet auch, dass man in diesem Moment, wenn man seinen eigenen Platz im Sinne von eigener Gerechtigkeit gefunden hat, dass man dann jeden Trug und jede Irrung im Leben überwunden hat.

   

Einer dieser großen Trugschlüsse, beziehungsweise einer dieser sehr zweifelhaften und oft auch fatalen Verhaltensformen/Selbsteinschätzungen, ist der Stolz. Denn der Stolz gehört sicherlich im Tierkreis vornehmlich zum Prinzip des Löwen, und dort an dieser Stelle ist er auch angebracht und ganz in Ordnung. Weil es zusätzlich ein gewisses Selbstbewusstsein gibt,  beziehungsweise das ein bestimmtes Selbstbewusstsein Voraussetzung für einen gewissen Stolz ist – oder auch umgekehrt, wenn man so möchte, das heißt der Stolz ein gewisses Selbstbewusstsein zur Verfügung stellt.

  

Stolz ist im Unterschied zu dem, was wir jetzt hier nach der Überwindung des Hochmutes oder des Stolzes als Würde bezeichnen, Stolz ist etwas, was der Mensch sich selbst verleihen kann. Würde, im astrologischen Sinne auf Saturn bezogen, ist nichts, was der Mensch sich selbst verleihen kann. Würde ist etwas, das verliehen wird. Sicherlich ist es richtig, dass der Mensch durch sein Tun selbst in der Lage ist, sich Würde zu verleihen. Aber wenn man sich den Begriff anschaut und wenn man zum Beispiel sagt, jemand wird gewürdigt, das Lebenswerk eines Menschen wird gewürdigt, dann hat es immer damit zu tun, dass andere der Meinung sind, dass eine Würdigung vorgenommen werden sollte. Man selber kann eine solche Würdigung oder diesen entsprechenden Vorgang, der mit der Würdigung zusammenhängt, in der Regel nicht vornehmen. Das würde vermessen sein.

 

 

Insofern ist Würdigung etwas, was letzten Endes verliehen wird. Stellvertretend oft durch entsprechende repräsentierende Menschen, aber in einem gewissen Sinne von einer höheren Stelle, von einer höheren Instanz. Würde ist etwas, das man sich erwerben muss, normalerweise im Laufe von sehr vielen Jahren. Würde ist etwas, das auch durch fleißige und bescheidene Arbeit, durch ehrliche Arbeit erworben werden kann. Und das ist ein gewisser Unterschied zum Begriff des Stolzes, denn Stolz kann man im Vergleich, wenn man den Begriff versucht zu analysieren, auch auf Dinge sein, die viel weniger Zeit und möglicherweise viel geringerer Anstrengung bedurfte. Würde ist daher etwas, was von einer höheren Instanz verliehen wird. Wir könnten also astrologisch sagen, es kommt aus dem vierten Quadranten. Und dem gegenüber ist Stolz etwas, was der Mensch sich selbst geben kann, also aus sich selbst heraus, und das ist Originalton Löwe.

 

Wenn der Mensch in der Lage ist, seinen ihm zugewiesenen Platz zu erkennen, wenn er seinem Lebensziel gerecht wird, dann ist er auch in der Lage, Stolz und Hochmut, oder etwas schlichter ausgedrückt, sein Ego zu überwinden. Das macht einen gewissen Unterschied zwischen Mensch und Tier aus. Wobei ich keineswegs einer derjenigen bin, die der Meinung sind, dass Tiere niedere Lebewesen als der Mensch sind - das habe ich damit in keinem Falle gesagt. Aber es gibt eine gewisse transzendente Dimension, die der Mensch im Unterschied zum Tier offensichtlich zwar genauso besitzt wie das Tier, aber wenn er es denn will, aus freier Entscheidung, selber bearbeiten kann. Das heißt man kann sich in ein transzendentes spirituelles Wesen hin verändern, was für ein Tier aufgrund des andersgearteten Bewusstseins in der Regel relativ schwer ist - beziehungsweise wir unterstellen es mal, nicht möglich ist.

 

In dem Moment, wo der Hochmut und der Stolz überwunden werden, entsteht das, was wir menschliche Würde nennen. Und Saturn würde sagen, dass er dann sein Werk vollbracht hat. Das ist jetzt aus meiner Sicht bezogen auf die bisherige astrologische Erfahrung auch die Quintessenz dessen, was Saturn dem Menschen sagen will. Er würde sagen: Du besitzt Würde, erarbeite sie dir. Und wenn du das tust, dann hast du automatisch deinen dir zugewiesenen Platz eingenommen, und das bedeutet für dich Glück. Das sind – wie immer in diesen wichtigen Fällen – ganz, ganz einfache Worte, aber dennoch ist der Weg dorthin ein, im saturnischen Sinne kann man sagen, sehr steiniger, schwieriger und steiler Weg.

 

 

Denn alles, was Saturn betrifft, ist an die Zeit gebunden. Das heißt es dauert. Und insofern ist die entsprechende Arbeit, die zu verrichten ist, zwar einerseits eine der wichtigsten überhaupt im Leben, aber wir können nicht davon ausgehen, dass wir nach zwei Tagen Arbeit bereits entsprechende Erfolge oder gar den entsprechenden Lohn kassieren können. Derartige Belohnungen, wenn man das überhaupt noch so ausdrücken möchte, stellen sich nach langen Jahren des Arbeitens an sich selber ein. Das allerdings auch mit absoluter Gewissheit. Aber sie stellen sich nicht ein, wenn man es will.

  

Es verhält sich hier genauso mit dem, was man unter Erleuchtung versteht. Wenn man Erleuchtung erlangen will, dann wird es mit Sicherheit nicht geschehen. Erst wenn man diesen Wunsch, der ja aus dem Ego stammt, aufgibt, dann geschieht es. Dann geschieht es in dem Sinne, wie es in vielen Zen-buddhistischen Büchern beschrieben ist, dass die Erleuchtung zum Menschen kommt, so wie der Schnee in der Frühlingssonne vom Blatt abrutscht. Der Schnee selber will nichts, der ist nur an einem bestimmten Punkt, nämlich im Frühling, angekommen, und die Dinge um ihn herum werden dafür sorgen, dass er schmilzt. Wobei das Schmelzen des Schnees, das Abrutschen des Schnees vom Blatt, das in der Sonne erwärmt wird, dem Erleuchtungserlebnis gleichkommt.

 

Hätte der Schnee die Absicht, vom Blatt abzurutschen, würde es nicht gelingen. Aber da er diese Absicht nicht mehr hat, weil er so weit schon gekommen ist, weil der Winter vorbei ist, braucht er sich um nichts mehr aus sich selbst heraus zu bemühen, sondern braucht die Dinge nur noch geschehen zu lassen. Und das, was wir menschliche Würde nennen, ist einerseits unser ur-eigenster persönlicher Verdienst. Aber wenn wir mit der Absicht arbeiten, Würde zu erlangen, dann werden wir, solange wir diese Absicht haben, Würde nicht erlangen können. Daher sollte man diesen Wunsch, obwohl er ein verständlicher Wunsch ist, aufgeben. Und wenn wir das tun und dennoch fleißig und in einer gewissen saturnischen Demut sind - das muss auch dazu gesagt werden, denn wir haben es hier beim Saturn mit dem Prinzip der Askese und der Reduzierung zu tun - wenn man das in diesem Sinne tut, dann wird man Würde erlangen und den einem zugewiesenen Platz auch finden. Das heißt: dann wird man glücklich.

 

Es muss wohl nicht weiter erwähnt werden, dass wenn das Kernprinzip des Steinbocks bzw. Saturns im Entstehen der menschlichen Würde gipfelt, die eigentliche Urangst des Steinbocks bzw. Saturns die Angst vor dem Verlust der menschlichen Würde ist. Ich denke, dass es sehr gut, sehr richtig und sehr wichtig ist, dass zum Beispiel zumindest im deutschen Grundgesetz an vorderster Stelle steht: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Insofern ist das Grundgesetz zumindest an dieser Stelle von saturnischem Geist durchzogen. Ich bin beileibe kein besonders politischer Mensch, geschweige denn bin der Meinung, dass die Astrologie sich für politische Zwecke oder Ziele hergeben sollte. Aber an dieser Stelle sei es durchaus einmal erwähnt, dass bei dieser allgemeinen Aussage - die von allen normal denkenden und empfindenden Menschen akzeptiert wird - das Saturnische hier sozusagen durch diese Textzeilen weht. Auch wenn es letzten Endes nur eine Absichtserklärung bzw. eine Aufforderung ist.

 

 

Wenn der Mensch im Steinbock/Saturn so sehr auf das Überpersönliche, Wesentliche, Bedeutende angelegt ist, dann bedeutet es, dass er sich – und das entspricht auch dem vierten Quadranten – mehr aus der Subjektivität in die sogenannte Objektivität hinausbewegt. Das heißt er hat bereits im Steinbock eine Tendenz - im Wassermann wird sich das dann extrem fortsetzen - zur Überpersönlichkeit. Er bewegt sich aus den persönlichen Notwendigkeiten heraus und sieht nur noch Notwendigkeiten, die mit seiner persönlichen Situation kaum noch etwas zu tun haben. Insofern gibt es in der Psychologie auch den Begriff des sogenannten Über-Ichs oder der Über-Ich-Struktur. Das ist vereinfacht gesagt nichts weiter als eine überpersönliche Gewissensinstanz, beziehungsweise wenn man nicht „überpersönlich“ sagen möchte, auf eine unpersönliche Gewissensinstanz.

 

Die Über-Ich-Struktur wird meistens innerhalb der Psychologie als etwas eher Negatives angesehen. Auch deshalb, weil sie den Menschen scheinbar von der Notwendigkeit befreit, selber die Konsequenz für das eigene Handeln zu tragen. Das heißt Verantwortung zu übernehmen. Das ist eine negative Ausprägung des Steinbock-Prinzips, weil auf der anderen Seite genau die Aufforderung, Verantwortung ausschließlich fürs eigene Leben zu übernehmen, wiederum eine grundsätzliche Aufforderung des Saturn-Prinzips darstellt. Verantwortung übernimmt man normalerweise, zumindest wenn man den Begriff umgangssprachlich benutzt, auch für andere.

 

Sie sollten sich bitte angewöhnen, dass wenn Sie in astrologischen Maßstäben denken, Sie den Begriff Verantwortung nur noch für das Steinbock-Prinzip wählen. In dem Sinne, dass man Verantwortung im steinböckischen Sinne nur für sich selbst und nie für jemand anderen übernehmen kann. Jeder Mensch überträgt zwar das, was man Verantwortung nennt, auch auf andere. Zum Beispiel sagt jeder Babysitter: ich habe, solange die Eltern des Kindes nicht da sind, Verantwortung für das Kind. Sowas würde man aber eigentlich nicht Verantwortung, sondern Verbindlichkeit nennen. Wir gehen auch davon aus, dass dieser Vorgang ein skorpionischer und kein saturnischer Vorgang ist, kein steinböckischer Vorgang. Verantwortung kann man nie für andere, sondern immer nur für sich selber übernehmen. Das ist eine Verantwortung, die in der Regel im Vollzug eine viel schwerere ist, als dass man Verantwortung für jemand anderen übernimmt.

 

 

Viele Menschen tun sich, wenn sie insbesondere Steinbock-Probleme, Saturn-Probleme haben, sehr schwer, Verantwortung für sich selber zu übernehmen. Sie projizieren diese saturnische Fähigkeit, die sie im Horoskop mitbekommen haben, an andere und übernehmen für andere Verantwortung. Was dann also bedeutet, dass sie relativ früh im Kindesalter Verantwortungen übernehmen müssen, die eigentlich nicht kindgerecht sind. Das wiederum führt dazu, dass diese stark Steinbock-betonten Kinder Verantwortungen übernehmen, die nicht ihre eigenen sind. Verantwortungen, die dann das Kindsein kaum noch möglich machen. Deshalb geht man auch davon aus, dass Kinder, die eine Steinbock-Betonung haben, viel zu schnell erwachsen werden. Einerseits weil sie eine gewisse Leistungsbereitschaft im Sinne von „ich übernehme Verantwortung“ in sich tragen. Auf der anderen Seite führt dieser Vorgang des zu schnellen Erwachsenwerdens dazu, dass das Kind, sich selber unbewusst und auch unbewusst die Umwelt, sich selber seiner Kindheit beraubt.

 

Dieses zu frühe Erwachsenwerden durch die Übernahme sehr ungeeigneter Verantwortungen im Kindesalter ist ein ganz großes Problem. Das führt dazu, dass die übertriebene Leistungsbereitschaft und die entsprechende Stressanfälligkeit sich im Erwachsenenleben äußerst schwierig - im Sinne zum Beispiel von körperlich, seelisch, geistigen Erkrankungen - bemerkbar macht. Man muss daher bei Kindern, die eine starke Steinbock-Betonung haben, darauf achten, dass sie auf keinen Fall Verantwortung für etwas übernehmen, das nicht sie im allerpersönlichsten Sinne betrifft.

 

Darauf muss man auch als erwachsener Steinbock-betonter Mensch achten. Aber die Kinder sind noch nicht bewusst genug, dass sie so etwas wissen könnten. Deshalb sollten die Eltern, vor allen Dingen wenn sie astrologische Kenntnisse in dieser Richtung haben, unbedingt für die Kinder darauf achten. Steinbock-betonte Kinder dürfen nicht überlastet werden. Aber die Regel ist, dass es passiert. Der sinnvolle Hintergrund des saturnischen Prinzips: Wenn tatsächlich jeder Mensch nur Verantwortung für sich selber übernehmen würde, dass die Welt dann wahrscheinlich um einiges gerechter wäre oder werden würde. Denn wenn man für die Konsequenzen des eigenen Handelns eintritt, dann wird man sich das eigene Handeln jeweils sehr verantwortungsbewusst überlegen. Man würde nicht einfach darauf los leben, sondern wenn man weiß, dass man nur selber verantwortlich ist und niemand anderes einem die entsprechende Bürde der Konsequenzen abnimmt, würde man sich genau überlegen, was man tut und was man nicht tut. Es würde dann wahrscheinlich dazu kommen, dass der Mensch auch im Sinne einer entsprechenden natürlichen Gerechtigkeit, die sich dann einstellt, einem anderen Menschen nicht mehr fürchterliche Dinge antut. Denn das ist heute immer noch Gang und Gäbe. Das heißt, wenn sich jeder in dem Sinne benimmt, dass er Verantwortung für sein eigenes Handeln trägt und nicht die Verantwortung abgibt oder in Notsituationen auf andere abschiebt, dann würde die Welt wahrscheinlich in einer ganz anderen Ordnung erscheinen, als es im Moment der Fall ist.

 

 

Ich persönlich  denke, dass die allermeisten Menschen nicht in der Lage sind, die saturnische Lektion wirklich gründlich zu lernen. Zugegebenermaßen ist das auch sehr schwer. Aber wir als Astrologen müssen natürlich versuchen, einen Menschen, vor allen Dingen die Steinbock-betonten darauf hinzuweisen, dass das Prinzip der Verantwortlichkeit erstens etwas ganz Wichtiges im Leben ist, und zweitens die Verantwortung nie auf andere übertragen oder gar abgeschoben werden darf. Das führt letzten Endes dazu, dass man das Gefühl von Würde im Laufe der Jahre und Jahrzehnte entwickelt. Das ein solches Gefühl in einen hinein gepflanzt wird, wenn man in der Lage ist, das Notwendige zur richtigen Zeit zu tun. Denn das Notwendige zur richtigen Zeit zu tun, entspricht einem Verhalten, das wir „verantwortlich“ nennen. Verantworten – da ist der Begriff „Antwort“ enthalten. Und das Verhalten eines Menschen, was verantwortlich ist, ist ein Verhalten, das eine Antwort auf die Umstände gibt, auf die Gegebenheiten der momentanen Zeitqualität. Verantwortlich handeln heißt eine Antwort auf die momentane Lebenssituation zu finden. Und zwar eine adäquate Antwort. Aber diese muss man immer selbst finden. Das kann niemand anderes für mich tun.

 

Ich fasse zusammen. Der Saturn, stellvertretend Steinbock und das 10. Feld, wird in der Astrologie in der Regel immer mit leicht verkniffenem Lächeln betrachtet, weil aus der Erfahrung jedes Menschen bekannt ist, dass das Saturn-Prinzip das Leben erschwert, verlangsamt, ernüchtert und in einem gewissen Sinne derart diszipliniert. Das was man Lebensfreude und Lebensspaß nennt, bleibt zunächst auf der Strecke. Aber das Saturnische hat eine ähnliche Wirkung wie eine zweiwöchige Fastenkur. Man ist danach befreit von allem Ballast und allen schädlichen Stoffen. Man fühlt sich leicht, man fühlt sich klar. Alles ist deutlich. Und in allem, was bedeutend ist, sichtbar. Das ist ein Zustand, der etwas sehr Meditatives, etwas sehr Klares und Anstrebenswertes, etwas Würdevolles bereits in sich trägt. Und in diesem Sinne ist dieser Zustand auch etwas, was man anstreben sollte.

 

Es bedarf sicherlich einiger Fähigkeiten des Menschen, sich auf das Saturnische einzulassen. Man muss beispielsweise die Fähigkeit haben, sich von liebgewonnenem Plunder – so nenne ich das mal – zu trennen. Man sollte diese Fähigkeit auch entwickelt haben, denn wenn man sie nicht entwickelt hat, wird Saturn dafür sorgen, dass einem das, wenn man so will, sogar auch teilweise mit Gewalt genommen wird. Aber wenn man diese Fähigkeit entwickelt hat, wenn man auch aus dem Schütze-Prinzip die Einsichtsfähigkeit in den vierten Quadranten herübergerettet hat, dann sollte das gelingen. Und dann wird man feststellen, dass der Saturn im Grunde genommen auch eine tiefe Zufriedenheit und eine ganz tiefe Weisheit in sich trägt.

 

 

Das heißt jeder Mensch wird dann diese Weisheit und Zufriedenheit in sich finden. Und das der Saturn sogar ein gütiges, leichtes, leises Lächeln auf das Gesicht zaubern kann. Das ist sicherlich nur in relativen Ausnahmesituationen zu bemerken - man muss den Saturn schon in einer günstigen Stunde erwischen, um ihn lächeln zu sehen. Aber wenn genug Ruhe ist, wenn genug Konzentration da ist, dann stellen sich die entsprechende Zufriedenheit und damit das Lächeln auf dem Gesicht ein.

 

Saturn ist immer zufrieden, wenn man sich auf das Wesentliche konzentriert hat, wenn man sich reduziert hat. Saturn ist nicht anspruchsvoll, Saturn ist anspruchslos. Allerdings in den wenigen Bereichen, die er noch im Leben gelebt sehen will, ist er anspruchsvoll. Eine eigentümliche Mischung aus Anspruchslosigkeit und einer sehr anspruchsvollen Haltung. Das Anspruchsvolle des Saturns bezieht sich hier nicht auf eine Vielfalt von Merkmalen, wie das beim Schützen der Fall war. Sondern nur auf ganz, ganz wenige Lebensmerkmale, eben auf das Bedeutsame und das Wichtige.

 

Zusammenfassung in Stichworten

 

Kernprinzip:

Reduzierung auf das Wesentliche = Konzentration = Verweis auf das überpersönlich Bedeutende. Das Recht und die Ordnung des Lebens = Strukturierung = Hierarchie. Den Dingen ihren gerechten Platz zuteilen. Überwindung von selbstgemachtem Hochmut (Stolz) = Entstehung der menschlichen Würde.

 

Leit-Bild:

Natur: der Fels, das Gebirge. Tier: der Elefant. Mensch: der Gerechte

 

Ur-Angst:

vor Verlust der Würde

 

Grund-Problem:

Über-Ich-Struktur = unpersönliche Gewissensinstanz. Das väterliche Prinzip selbst leben lernen, ohne auf Stellvertreter des Vaters (z.B. Staat) zu projizieren. Lernen, Verantwortung ausschließlich für sich selbst zu übernehmen (im positiven Sinne a-sozial). Zu frühes Erwachsenwerden = Übernahme ungeeigneter Verantwortungen im Kindesalter. Übertriebene Leistungsbereitschaft, extreme Stressanfälligkeit. Sagt immer: Bestimmt...

 

Mythologie:

Saturn kommt zur Macht, indem er seinen Vater Uranos entmannt und die Genitalien ins Meer wirft. Eine Prophezeiung sagt ihm voraus, dass einer seiner Söhne ihm das gleiche antun werde, woraufhin Saturn all seine Kinder tötet. Nur ein Kind (Zeus/Jupiter) wird von der Mutter Rhea gerettet und heimlich aufgezogen. Hier zeigt sich das Vaterproblem drastisch. Jeder Steinbock trägt Vater und Sohn in sich und muss diesen Gegensatz in sich und mit dem leiblichen Vater erlösen. Er muss erkennen, dass der Vater sehr wohl auch ein gütiges Gesicht haben kann.

 

Baustein 10:

Das 10. Lebensprinzip ist die 1. Stufe der Entstehung des Wirklichen im 4. Quadranten. Es ermöglicht allen Wesen, die Ordnungen des Höheren jenseits der Ordnungen, die der Mensch erschaffen hat, zu erkennen. Es entsteht ein überpersönliches Bewusstsein jenseits der eigenen Bedürfnisse.